von Thomas Günter

Nun liebes Tagebuch ist es ja so, dass das Wetter, das in diesem so denkwürdigen und schicksalsträchtigen Jahr, wir befinden uns im Jahre des Herren 2021, ganz Tiutschland wurde abrupt aus dem Fußballmärchen herausgerissen, nur eine kleine Gruppe kickt noch auf Wiesen und in Sandgruben, recht wechselhaft, ja beinah bipolar erscheinen mag. Da herrschen an einem Tag Temperaturen, dass man als Mitteleuropäer hektisch in den Tiefen des Schrankes, ob nun begehbar oder nicht ist dabei nicht von Relevanz, nach Schneeschuhen, Fäustlingen und einem wärmenden Schal suchen möchte, nur um schon wenige Stunden später ernsthaft ins Auge zu fassen, dass Kleidung an und für sich dem Hitzetod Vorschub leistet.

Der erste Gedanke, der mich an diesem Morgen durchzuckte, nach durchfrorener Nacht, war an eine Fernsehserie aus den 70er Jahren des vergangenen Jahrtausends. »Der Winter, der ein Sommer war« mit Günter Strack in einer der Hauptrollen. Sie erinnern sich, der dicke Volksschauspieler, der in den 80ern des selben Jahrtausends den Serienehemann von Witta Pohl, Siegfried »Siggi« Drombusch, darstellte. Es handelte sich um die Geschichte von 12000 Hessen, die im Unabhängigkeitskrieg für 30 Taler pro Kopf an die Engländer vermietet wurden, um gegen die aufrührerischen Siedler zu kämpfen, aus der auch die Sage des »Ichabod Crane« vor allem die Figur des Kopflosen Reiter, des rachsüchtigen Hessen einen Teil seines Ursprungs hat, Sleepy Hollow halt.

Ich weiß, ich weiß, ich nerde schon wieder still vor mich hin. Wenigstens können Sie, gebannt meinen Ausführungen folgender Leser und Hörer, mir dieses Mal nicht vorwerfen, unzählige verborgene Zitate aus der Kultur im weitesten Sinne, wie Ostereier, versteckt zu haben. In dieser Exegese stellt sich alles dem kalten und klaren Blick der Mittagssonne, so sie denn schiene.

Stattdessen weht unablässig der Wind, was zur Folge hat, dass, ausgestattet mit einem gerüttelt Maß an Phantasie, der Gedanke die Oberhand gewönne, man, ich, der alte, weiße, böse, heterosexuelle und heteropneumatische Mann, Autor, Privattier, Gurgler glitzernder Girlanden, sitze gemeinsam mit meinem geliebten Weib, der besten Ehefrau von allen (und zu allen Jahreszeiten), die Füße genüsslich im Sand vergraben, am Meer und lauschten dem Rauschen der Wellen.

Dramatisch jagen zerrissene Wolkenfetzen, sturmgetrieben unter dem blauen Himmel. Vereinzelt schickt das Zentralgestirn hell leuchtende Strahlen durch die vielfältigen Schichten der Atmosphäre dieser unbedeutenden kleinen blauen Kugel, die immer auf der Suche nach dem Sinn ihrer eigenen Existenz durch die unendlichen Weiten des Universums hetzt, und erleuchtet das Sein. Jeder einzelne Kubikmeter des Himmelsgewölbes schreit in seiner ganzen Pracht unablässig danach, für die Ewigkeit analog abgelichtet zu werden, nur, und das stellt die Crux dar, existieren allein in meinen Archiven Myriaden solcher eingefangenen Augenblicke, die sich doch alle ähneln. Es besteht also keinerlei Veranlassung, die x-te, wenn nicht gar y-te, Ablichtung vorzunehmen. Schade, aber so hart kann das Schicksal manches Mal zuschlagen.

Der Köter, die Fellnase, fläzt seinen gesamten imposanten Leib neben mir, die Läufe in die Höhe gestreckt, bequem an der Wand liegend und schnarcht, grunzend im Traume, wahrscheinlich frönt er auf diese Weise all den vergebenen Gelegenheiten seiner immanenten Schwerenöterei, und bringt somit überhaupt kein Verständnis für die Schönheit und Pracht der Natur auf. Dieser Umstand macht sich vor allem bemerkbar, wenn er wach, auf der Queste nach romantischen Abenteuern, unvermittelt innehält, gewahr werdend, dass der olle Dosenöffner schon wieder einen Ausschnitt der Umwelt durch die Linse betrachtend, auf Zelluloid, beziehungsweise Acetat, bannen möchte. Dann leidet er, und der Italolappen hat es, durch Jahrhunderte währendes Training, zu einer wahren Meisterschaft im Ertragen unhaltbarer Zustände, zumindest in seinen treuen braunen Augen, gebracht.

Dies stellt sich besonders offensichtlich dar, wenn nach des Tages schwerer Last, Helios Fahrt für diesen Tag neigt sich dem Ende zu, er, die Töle, auf dem Sofa lümmelnd, unter Absingen munterer Protestweisen, schwer schnaufend, seinen gesamten Unwillen damit zum Ausdruck bringend, die Sitz- und Liegestatt, ostentativ stampfend, wieder verlässt, wenn ich mich niederlasse, die Klampfe vor der dicken Wampe baumelnd und mich darauf freue, für ein paar Stunden die Saiten zu zupfen und damit dem »expansive musical instrument« launige Blues Melodeien zu entlocken. Natürlich nur in dem Umfang, der mir als noch immer blutenden Anfänger gegeben ist.

Derweil mein Blick über die Häupter meiner Lieben schweift, an dem einen oder anderen Schössling unserer Nachtschattengewächszucht, nein es handelt sich hierbei nicht um Tabak- sondern Tomatenpflanzen, hängenbleibt, erfreu ich mich an Sonne, Wind, zartem Grün, den Blüten der mit Insektenwiese aufgefüllten Blumenkästen, die in bunter Blütenpracht in hellem Lichte strahlen.

So es denn bei diesem Stand des Termometrons bleiben will, erfreu ich mich dieser Jahreszeit, dem Sommer, kann ihn genießen, den Sommer, und will nicht dem Vierbeiner in seiner Profession des Leidens nacheifern.

In diesem Sinne. Schönen guten Abend.